Aus der Kriminalistik
In der Vergangenheit stehen Garderobenmarken nicht selten im Zentrum von Straftaten. Zu behaupten, es wäre “alles außer Mord” dabei, wäre deutlich übertrieben. Diebstahl, Betrug und Fälschung sind die vorherrschenden Delikte. Aussagekräftige Kriminalstatistiken existieren nicht. Daher hier drei Beispiele des unsachgemäßen Umganges mit Garderobenmarken.
Fälschung
Als der A. im Theater an der Garderobe seinen Mantel auf Nr. 401 abgab, bemerkte er, daß unmittelbar vor ihm ein Herr einen kostbaren Pelz auf Nr. 400 abgegeben hatte. A. änderte darauf während der Vorstellung heimlich in der Nummer seiner Garderobenmarke die Ziffer 1 in 0 ab, verließ kurz vor Schluß der Vorstellung den Zuschauerraum und erhielt in der Garderobe gegen Hingabe der abgeänderten Marke statt seines abgetragenen Mantels den kostbaren Pelz, mit dem er sich eilig davonmachte.
Rechtsfälle aus dem Strafrecht James Goldschmidt, 1930
Offensichtlich handelt es sich in diesem Fall um eine gedruckte Papiermarke, da eine geprägte Garderobenmarke nicht so leicht zu fälschen ist. Ebenso offensichtlich hat der Täter (zufällig?) einen passenden Stift dabei. Um solche Fälschungen zu verhindern, wird bereits 1908 in Amerika ein Patent für fälschungssichere Garderobenmarken eingereicht, das wohl nicht seinen Weg nach Deutschland findet. Ein ähnlicher Fall der Fälschung trägt sich 1923 zu.
Haschke hatte sich auch Muster von Garderobenmarken fast aller Berliner Theater beschafft und die dazu gehörigen Stempel. Die drei merkten sich die Garderobennummern derjenigen Leute, die besonders kostbare Überkleider abgaben. Dann fertigte Haschke mit Hilfe der Stempel und vorrätigen Garderobenmarken die entsprechende Nummer an. Kurz vor Schluß der Vorstellung ließ sich dann Haschke oder eine seiner Gehilfinnen die Garderobe herausgeben.
Berliner Volkszeitung, 29.März 1923
Diebstahl
Eine Bewährungsstrafe für die Dauer von eineinhalb Jahren mit einer angedrohten Freiheitsstrafe von neun Monaten bringt 1977 einem 32-jährigen Berliner die Selbstbedienung in einer Restaurantgarderobe ein.
Als er den Gastraum verlassen wollte, sagte er der Garderobiere Bescheid, die sich seltsamerweise dort und nicht auf ihrem Platz befand. Holger wartete eine ganze Weile. Und da weder die Frau erschien und er auch nicht beobachtet wurde, ging er selbst zu den Kleiderhaken, holte sich zuerst seinen eigenen Mantel und nahm bei dieser Gelegenheit zwei Herren-Wildledermäntel mit. Ungesehen verließ er damit das Lokal.
Neue Zeit, 16. Juni 1977
Was anschließend passiert, ist einigermaßen verworren. Seiner Schilderung nach übermannt ihn bald das schlechte Gewissen. Den einen Mantel wirft er im Park weg, den anderen will er dem Eigentümer zurückbringen. Da er Adresse und Schlüssel im Mantel findet, geht er hin und schließt die Wohnungstür auf, um den Mantel unbemerkt zurückzulegen. Oder auch nicht. Da aber der Eigentümer inzwischen auch zu Hause ist, flieht der Dieb mit dem Mantel und entsorgt auch diesen.
Betrug
Aus einer Zeit, da gute Mäntel noch empfindlich teurer sind als Theaterkarten, stammt dieser Fall, der vor einem Berliner Theater beginnt und böse endet. Die Berliner Zeitung übertitelt den Bericht mit: “Traut den Männern nicht”.
Stand ein junger Mann vor dem Theater, allein, aber mit zwei teuren Karten für die letzte Vorstellung. Kam eine junge Dame. Adrett sah sie aus in ihrem guten Wintermantel. An der Kasse ein Schild: Ausverkauft! „Darf ich Sie einladen?” fragte der junge Mann mit den zwei Karten und murmelte etwas von „zufällig” und „versetzt worden” und „es wäre doch schade drum”. — Sieht nicht übel aus, dachte die junge Dame, und nahm dankend an. Ganz Weltmann, brachte er sie zur Garderobe, bezahlte als Grandseigneur für beide und nahm die Garderobenmarken an sich, legte sie sorgfältig in die Brieftasche — wie man es von einem Kavalier erwarten darf. Sie strahlte, denn wirkliche Kavaliere sind ja heute so selten. Kurz, es war wie im Theater. Dann wurde es dunkel und aus dem Weltmann ein Dunkelmann. Das blieb er auch bei Licht besehen; denn in der letzten Pause erhob er sich — ganz besorgter Kavalier — inzwischen die Garderobe zu holen. Daß er sie holte, bestätigte nachher die Garderobenfrau. Bis hier war der junge Mann Gentleman, dann wurde er zum Dieb.
Berliner Zeitung, 17. Januar 1948